B 66 neu: Grüne Leo zum Gespräch im Ministerium

b66neinUnsere Kritik an der überdimensionierten Planung der B 66 neu wird durchaus ernst genommen in Düsseldorf. Deshalb nahmen sich der zuständige Leitende Ministerialrat und zwei seiner Mitarbeiter im vergangenen November immerhin zweieinhalb Stunden Zeit, um uns Leopoldshöher Grüne im Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr über die Hintergründe und den Stand der Planung zu informieren. Auch an dieser Stelle nochmal vielen Dank für das aufschlussreiche, offene Gespräch!

Doch trotz der angenehmen Atmosphäre: In der Sache sind wir nicht weitergekommen. Denn es wurde nochmal sehr deutlich, dass es bei der Beurteilung der Planung vor allem um drei Grundlagen geht: Um die prognostizierte Verkehrsbelastung des Straßenstücks bzw. insbesondere der Kreuzung am Scherenkrug, um die verkehrlichen Qualitätsanforderungen an den Knotenpunkt zur L 751 sowie um die Folgen für die Gemeinde Leopoldshöhe (Flächenverbrauch im Landschaftsschutzgebiet, Gefährdung der Trinkwasserversorgung und des Grundwassers …).

Verkehrsbelastung wirklich so hoch? Neue Zahlen stützen unsere Zweifel!

Wir hatten im November 2010 das für die Bedarfsbehauptung entscheidende Verkehrsgutachten des IVV eingehend analysiert (Download der pdf). Und mussten feststellen, dass es methodisch in mehrfacher Hinsicht fragwürdig, in seinen Prognosen vage und in sich widersprüchlich und in seinem Ergebnis nicht überzeugend ist. Also die vorgelegte Planung nicht rechtfertigt und als unnötig überdimensioniert erscheinen lässt. Da ist das Landesministerium offenbar nicht so kritisch wie wir – obwohl die uns dort vorab mitgeteilten Ergebnisse der Straßenverkehrszählung 2010 wiederum belegen, dass der Verkehr auf der B 66 (Richtung Bielefeld) weiter abnimmt! Was unsere Zweifel an den prognostizierten Zahlen untermauert.

Die Planung für diese Großbaustelle läuft bereits seit den 90er Jahren. Durch die Anbindung der A33 an die A2 haben sich die Verkehrsströme verändert.

Eins möchten wir allerdings klarstellen: wir Grüne in Leopoldshöhe sind nicht aus Prinzip gegen eine Verbesserung der Situation für die Berufsfahrer. Die vielen Abgase im morgendlichen Stau betrachten wir auch nicht als sinnvoll. Von daher sind wir FÜR den flächengleichen Kreisel, der die heutige Verkehrsmenge problemlos aufnehmen könnte und dessen Skalierung über – bequem zu fahrende – Tangenten später problemlos erhöht werden könnte. 

Muss der Verkehr auch in den wenigen Stoßzeiten nahezu störungsfrei fließen?

Der Bund gibt dem ausführenden Land hohe Qualitätsanforderungen vor: An der Kreuzung am Scherenkrug soll kein Fahrzeug länger als 45 Sekunden warten müssen. Auch nicht in den wenigen Stunden hoher Belastung. Diese Vorgabe führt zu dem vorgelegten aufwändigen Ausbaustandard – und zu entsprechend hohen Kosten.

Aber können und dürfen wir es uns angesichts der prekären finanziellen Situation des Bundes, der Länder und der Kommunen wirklich noch leisten, immer nur das Beste zu planen? Und eine Straße nicht nach der durchschnittlichen, sondern nach der Spitzenbelastung auszubauen?

Ist es nicht zumutbar, in Zeiten des Berufsverkehrs auch mal zwei oder drei Minuten an einer Kreuzung zu warten, wenn das massive Eingriffe in die Landschaft und Millionen Kosten spart?

Ist es zumutbar, eine Nachbargemeinde (Helpup) die nächsten 10 Jahre im Stau ersticken zu lassen, wenn der Verkehr ab A2 Bielefeld-Zentrum ungebremst bis zum Ortseingang durchschießt und kurz zuvor noch von 4 auf 3 Spuren verdichtet, wie es uns Straßen NRW ungewollt plausibel verdeutlichte? – da wohnen auch Menschen, direkt am neuen Staubrennpunkt. Was soll denn dann die Lösung sein, die nächste Ortsumgehung?

Ist es sinnvoll, die Umgehungsstraße Bad Salzuflen – Schloß Holte ampelfrei zu gestalten und der Gemeinde Leopoldshöhe einen 24/7-Dauerverkehr von Autobahnabkürzern zu bescheren, wenn diese Straße dann doch als nächstes angeschlossen werden soll? 

Was wird dann aus der ab diesem Zeitpunkt völlig überdimensionierten, 5 Jahre alten Bauruine am Asemisser Ortseingang, wo dann ja kaum noch ein Fahrzeug durchfährt?

In der Diskussion waren wir erschrocken über die geringe Ortskenntnis. Dass der Brünnen am Scherenkrug, in der auf dem Tisch liegenden Karte mit „Br.“ bezeichnet, für die zentrale Wasserversorgung direkt innerhalb der Kreisel neben der tiefergelegten „Autobahnbrücke“ Scherenkrug zu liegen kommt, war den Straßenplanern – wie auf mehrfache Nachfrage betont – „unbekannt“!

Unser Eindruck: „sichtbar“ ist für einen Straßenplaner nur der aktuelle Planfeststellungsbescheid. Darauf schaut er tagelang und feilt an den Auf- und Abfahrten.

 

Sind die Trinkwasserbrunnen wirklich sicher? Und muss so viel Fläche verbraucht werden?

Bleiben die Folgen der aufwändigen Planung für die Gemeinde Leopoldshöhe. Auch da blieb es bei unterschiedlichen Einschätzungen. Während wir Grüne (wie der zuständige Fachausschuss und die Betriebsleitung des Wasserwerks) erhebliche Bedenken haben, sieht das Ministerium offenbar keine Gefahr für die Trinkwasserbrunnen der Gemeinde. Und findet auch die tiefen Einschnitte und die Versiegelung von mehr als 45.000 qm landschaftlicher Fläche mit wertvollen Böden hoher Fruchtbarkeit (laut Gutachten die „schwerwiegendste“ Beeinträchtigung) offenbar akzeptabel – obwohl die sich mit einer großen Kreisverkehrsanlage drastisch reduzieren ließe.

 

Fazit: Für die eingehenden Erläuterungen hat sich der Besuch in Düsseldorf gelohnt. Das Ministerium konnte zeigen, dass sich die Planer weitaus mehr Gedanken gemacht hatten, als die per „Friss oder stirb!“ im Planfeststellungsverfahren vorgelegte einzige Variante vermuten lässt (unverständlich, warum das nicht frühzeitig kommunziert und mit den Betroffenen erörtert wird). Und auf dem Weg zu einer angemesseneren, kostengünstigeren und weniger invasiven Planung wurde uns nochmal bewusst, wo die entscheidenden Weichen gestellt werden: Bei der Prognose, bei den Zielvorgaben und bei der Folgeneinschätzung.

Wir bleiben jedenfalls dran und werden versuchen, diese Weichen nochmal umzulegen in eine nachhaltige, zukunftsfähige, bezahlbare Richtung!

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